Deutsches Studienzentrum in Venedig

Anne Sauder

Anne Sauder

„Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung venezianischer Frauen, 1580 bis 1620“
Dissertationsprojekt

Geschichte der Frühen Neuzeit/Universität des Saarlandes, Prof. Wolfgang Behringer

Im Jahr 1600 erschienen mit Lucrezia Marinellas Nobiltà et l’Eccellenza delle Donne […] und Moderata Fontes Merito delle Donne zwei Druckwerke auf dem venezianischen Buchmarkt, die in der Forschung der letzten Jahrzehnte ausgiebig untersucht und analysiert wurden. Der Grund für diese vermehrte Aufmerksamkeit ist, neben dem philosophischen und literarischen Wert der Schriften, auch die geschlechtliche Identität der Autorinnen. Als Frauen, so scheint es, beschrieben Marinella und Fonte nicht nur die gesellschaftliche Rolle der Frauen, sondern boten auch Einblicke in ihre Selbstwahrnehmung als Angehörige dieser Gruppe. Während die Vorgänger Marinellas und Fontes – unter ihnen Leonardo Bruni, Juan Luis Vives, Baldassare Castiglione, Lodovico Dolce und Agrippa von Nettesheim – über Frauen nur als „das Andere“ schreiben konnten, reflektierten die beiden Autorinnen ihre eigene ideelle, aber auch reale Position in der venezianischen Gesellschaft des 16. Jahrhunderts, die Erwartungen, die an sie gestellt wurden und die Möglichkeiten, die sich ihnen aufgrund ihres Geschlechts eröffneten und – in weit größerem Maße – verschlossen. Vor allem das Werk Fontes wird mitunter als direktes Zeugnis eines weiblichen Selbstbewusstseins gelesen, das aus einer durch die Dualität zwischen zwei Geschlechtern bestimmten Verfasstheit heraus geschrieben wurde. Diese These wird im Zuge des Dissertationsprojekts in Frage gestellt: Durch einen Vergleich unterschiedlicher archivalischer Quellen wie Testamenten, Straf- und Zivilgerichtsprozessen, Briefen oder Petitionen wird das Selbstverständnis der unterschiedlichen Akteurinnen innerhalb der venezianischen Gesellschaft untersucht und so unser bisheriges Wissen um die Bedeutung des „Frau-seins“ in der Frühen Neuzeit erweitert. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann im Kontext der Querelle des Femmes gedeutet, um so einen Eindruck davon zu vermitteln, ob und wie dieser Streit das Selbstbild und den Standpunkt der Frauen aufgriff und darstellte und welche Relevanz die im Streit der Geschlechter diskutierten Argumente also tatsächlich hatten.

Von November 2022 bis April 2023

Dezember 2023

März 2024

September 2024