Deutsches Studienzentrum in Venedig

Clara Maïda

Clara Maïda

Opus Musaicum - ein Diptychon von audiovisuellen Installationen.
1/ Opus Reticulatum und 2/ Opus incertum
Kunststipendium

Musik/Komposition (Website: https://www.claramaida.com)

In meinem instrumentalen Schreiben habe ich kinetische Netzwerke entwickelt, die aus der Zusammenstellung kleiner beweglicher Klangeinheiten bestehen, deren Verbindungen sich ständig auflösen und neue bilden, wodurch vergängliche Aggregate, eine verformbare Textur, eine Art Klang-Kartographie im ständigen Werden entstehen. Dieses abstrakte und bewegte Mosaik ist niemals vorbestimmt. In einer Temporalität, die entweder als explodiert wahrgenommen werden kann, wenn wir versuchen, klar definierte Klangobjekte zu identifizieren, oder als kontinuierlicher Fluss, erzeugen die Prozesse und ihre polydirektionalen Flugbahnen eine permanente Neukonfiguration musikalischer Situationen, eine fragile Anordnung der Fragmente.

In den letzten Jahren habe ich angefangen, andere Wege zu explorieren, und audiovisuelle Installationen zu machen (elektroakustische Musik, gemalte Objekte, Gemälde auf Leinwand, Videoanimation).

Fasziniert von der Technik des Mosaiks, der Assemblage, der Collage und der Konnektivität, in meinen musikalischen Werken sowie in meinen visuellen Schöpfungen, ist das Ziel dieses Projekts die Kreation eines Diptychons von audiovisuellen Installationen, das als ein Klang- und visuell animiertes Mosaik funktionieren wird.

Der Titel des Diptychons ist Opus Musaicum. Es besteht aus zwei Teilen, Opus reticulatum und Opus incertum. Beide Titel evozieren zwei Mosaiktechniken, die an mein musikalisches Schreiben erinnern.

Opus reticulatum basiert auf einem retikulären Geflecht aus kleinen Fragmenten, das in den rhizomischen Klangstrukturen, die ich entwickle, mitschwingt.

Opus incertum besteht aus der Zusammensetzung sehr kleiner Fragmente, deren Formen und Abmessungen unregelmäßig geschnitten sind, und deren Verlauf zufällig ist. Eine Art Wiederholung und Differenz entsteht (cf. Différence et Répétition, ein Buch des Philosophen Gilles Deleuze). An jeder Wiederholung wird eine geringe Modifizierung der Geste eingeführt. Diese Möglichkeit von vielfältigen Abstufungen durch dasselbe Verfahren (die Assemblage von Fragmenten, z.B.) ist auch im Herzen meines Schreibens.

Der Titel des Projekts bildet eine Brücke zwischen der musikalischen Schöpfung und der Mosaikarbeit. Tatsächlich haben die Begriffe des „Mosaiks“ und der „Musik“ dieselbe Etymologie. Und der Begriff des „Opus“ bezeichnet die verschiedenen Techniken des Mosaiks sowie das musikalische Werk, das damals als nummeriertes Opus eingestuft war.

Das Ziel dieser audiovisuellen Installation (elektroakustische Musik und die Projektion eines abstrakten animierten Videos) will die fragmentarische Dimension der Struktur von Venedig zurückgeben. Die Stadt wurde auf einem Mosaik von Insel und Inselchen gebaut. In dieser labyrinthischen Kartographie ist die Funktion der Kanäle quasi „synaptisch“, als ob sie den Verkehr zwischen den „Zellen“ eines urbanen Organismus fördern würden. Das strukturale Raster der künstlerischen Installation wird an den Stadtplan erinnern, mit ihren sich kreuzenden Kanälen und gebauten Oberflächen. Die animierte Dimension des projizierten Bildes wird zu einer Folge von Abstufungen der urbanen Potentialitäten, als ob die Stadt die Flugbahnen ihrer Ramifikationen modulieren könnte.

Darüber hinaus verfügt die Stadt über zahlreiche Oberflächen der akustischen und visuellen Reflektion und Beugung. Die Spiegelungen der Gebäude im Wasser wellen sich entsprechend der Bewegung der Wellen. Das Metallteil an der Vorderseite der Gondeln hält uns einen Zerrspiegel vor. Einzigartig ist auch die akustische Qualität. Die Klänge prallen an den Wänden der Häuser in engen Gassen ab. Sie erschallen und füllen leere Räume. Die schwebenden Bootanlegestellen erzeugen ein Knirschen, in dem sich Tonfrequenzen und Rhythmen nach der Amplitude der Wirbel variieren. Venedig scheint multiplizierte Vibrationen zu erzeugen, als ob eine geisterhafte Stadt sich über die reale Stadt legen würde.

Mein Aufenthalt in Venedig ermöglicht es mir, das Material zu sammeln, das ich für dieses bewegende Klang- und visuelle Kaleidoskop verwenden möchte. Die Aufnahme bestimmter Klänge der Stadt, die meiner musikalischen Ästhetik nahekommen, wird Material für den musikalischen Teil der Installation zur Verfügung stellen (z.B. das Kreischen von schwimmenden Bootanlegestellen oder Fensterläden, die vom Wind bewegt werden, die manchmal komplexen rhythmischen Schichtungen von Vogelschreien, die Erschütterungen von festgemachten Booten, die von der Bewegung des Wassers erzeugt werden). Eine ganze Reihe von Fotographien und kurzen Videos der Stadt wird auch für das animierte Video verwendet (Wellenreflektionen, Beugung und Abstraktion, wenn wir in die Details der reflektierten Objekte hineinzoomen).

Der künstlerische Ansatz ist jedoch nicht narrativ, sondern besteht darin, die poetische Neuzusammensetzung eines schwebenden und beweglichen Raums vorzuschlagen, einer Struktur, die an die potenziell vergängliche Dimension jedes urbanen Raumes erinnert (und Venedig könnte tatsächlich vom Meer überschwemmt werden sowie in ihm versinken), die Fragilität und die Instabilität der Ausgleichspunkte jeder Struktur, ob lebend oder architektonisch.

Von Juli 2023 bis September 2023