Deutsches Studienzentrum in Venedig

Claudia Denk

Claudia Denk

Der Reisekünstler Friedrich Nerly (Erfurt 1807 – 1878 Venedig) und seine venezianische Bildproduktion. Bestandserforschungs- und Ausstellungsprojekt zu Friedrich Nerlys Haupt-Nachlass, Angermuseum Erfurt
Postdoc

Kunstgeschichte

Der deutsche Landschaftsmaler Friedrich Nerly, dessen Hauptwerk während seiner 40jährigen Schaffenszeit in Venedig entstanden ist, lässt sich als wichtigen Akteur im regen Kulturtransfer dieser Zeit zwischen Deutschland und Italien begreifen. Aus seiner Heimat brachte er zwei wesentliche künstlerische Erfahrungen mit: Zum einen die neue Arbeitspraxis des sich unermüdlich in Mobilität befindlichen Landschaftsmalers, der in der Nachfolge Jean-Jacques Rousseaus auf seinen naturnahen Exkursionen Wege- und Motivwahl selbst bestimmte. Zum anderen führte er als zentrale ästhetische Erfahrung die Dresdner Nachtmalerei der Romantik mit sich, womit ihm die Verwandlung der venezianischen Vedute in lunare Erinnerungsbilder gelang. Seinen Ausblick von der Piazzetta auf die mondbeschienene Lagune malte er für seine internationalen Auftraggeber in 36 Versionen. Schon jetzt lässt sich festhalten, dass die venezianische Nachtmalerei des 19. Jahrhunderts engstens mit seinem Namen zu verbinden ist, diese zu seinem Alleinstellungsmerkmal wurde und ihm mit seiner in aller Herrn Länder gehenden „Piazzetta bei Mondschein“ ein früher Welterfolg gelang.

Der Forschungsaufenthalt am Deutschen Studienzentrum steht im Zusammenhang des Bestandserforschungsprojekts seiner Gemälde und Ölstudien im Angermuseum Erfurt. Nerlys Haupt-Nachlass wurde 1883 direkt aus seinem venezianischen Atelier nach Erfurt überführt und sollte dort zur Gründung des Angermuseums führen. Das Projekt wird nicht nur ein kunsthistorisches Desiderat beheben und 2024 in eine größere Ausstellung münden, sondern es möchte u.a. Nerlys wenig erforschte venezianische Schaffenszeit mit neuen Fragestellungen verbinden.

Der Studienaufenthalt in Venedig dient vor allem der Ortserkundung und Archivrecherche. Nerlys vierzigjähriger Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in einer repräsentativen Atelierwohnung im ehrwürdigen Palazzo Pisani gilt es, anhand schriftlicher Quellen, aber auch einer Spurensicherung vor Ort zu rekonstruieren, verbunden mit der Frage, inwiefern seiner Atelierwohnung verkaufsstrategisch die Rolle als Ausstellungsraum für durchreisende „Kunden“ zukam. In nahsichtiger Perspektive wird seine wegweisende mobile Arbeitspraxis unter freiem Himmel nachvollzogen werden. Welches innovative Potenzial ergab sich aus seinen Streifzügen, auf denen Nerly seine Ölstudien nicht nur während unterschiedlicher Tageszeiten fertigte, sondern auch bei Nacht oder im Motivfindungsprozess den festen Boden der Quais zugunsten der labilen Situation auf dem Wasser eintauschte? In wirtschafts- und sozialhistorischer Perspektive gilt es schließlich anhand seiner umfangreichen Korrespondenz, zahlreicher Zeitungsberichte etc. seine Verkaufserfolge zu ermitteln. Schon bald fand Nerly für seine venezianische Bildproduktion in den neuen finanzkräftigen Eliten wichtige Käufer, denn während seine ersten Venedigbilder noch durch den russischen Thronfolger, österreichischen Kaiser und preußischen König erworben wurden, so interessierten sich auch früh international erfolgreiche Kaufleute und Reisende für seine Atelierbilder.

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