Deutsches Studienzentrum in Venedig

Daniele Toro

Daniele Toro

Das deutsche Milieu Venedigs im transnationalen faschistischen Geflecht,
1918–1933. Eine Fallstudie zur Unterwanderung von Auslandsinstitutionen und -gemeinden während der Weimarer Republik
Promotionsprojekt

Geschichtswissenschaft Universität Bielefeld, Prof. Dr. Vito Francesco Gironda

Venedig bildete seit Beginn der 1920er Jahre ein entscheidendes und bislang unerforschtes Drehkreuz transnationaler Vernetzungsprozesse zwischen dem faschistischen Regime und gleichgesinnten deutschsprachigen Organisationen. Mein Projekt beabsichtigt die Erforschung des deutschen Milieus in Venedig zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur. Dabei zielt es darauf ab, die Unterwanderung und Instrumentalisierung dieses Milieus als relationale Infrastruktur in den Diensten der grenzübergreifenden Vernetzung faschistischer und rechtsradikaler Gruppierungen (NSDAP, „Stahlhelm“, PNF) zwischen Deutschland und Italien aufzudecken. Im empirischen Mittelpunkt der Untersuchung stehen somit das breitere Umfeld der deutsch-venezianischen „Kolonie“, und darin insbesondere die Tätigkeit der deutschen Auslandsvertretungen sowie der deutschen Glaubensgemeinden in Venedig seit ihrer (Neu-)Gründung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Neben den noch unklaren empirischen Grundlageninformationen geht es hierbei insbesondere um die Aufklärung der Rolle des breiteren deutsch-venezianischen Milieus zwischen 1918 und 1933. Der Kenntnisstand über die Kolonie in ihrer Allgemeinheit in sozialer und politischer Hinsicht gestaltet sich nach wie vor lückenhaft. Das Projekt möchte diese Forschungslücke anhand eines zweifachen Erkenntnisinteresses schließen.

Zum einen soll nach der allgemeinen Zusammensetzung und den internen Dynamiken des Milieus gefragt werden: Welche Akteure, soziale Gruppen bzw. Schichten und Institutionen waren hierbei ausschlaggebend, genossen das meiste Prestige und verfügten über die größten Handlungsspielräume? Wie zentral gestaltete sich etwa die Rolle des Konsulats und der evangelischen und katholischen Gemeinden bei der Gruppenbildung und -kohäsion? Wie positionierten sich die Kolonie und ihre Vertreter*innen innerhalb der breiteren venezianischen Stadtgesellschaft? Welche Weltbilder kamen hier in politischer Hinsicht zum Vorschein? Inwiefern waren hierbei deutschnationale oder völkische Dispositionen ausschlaggebend oder gar mehrheitlich, und welche Haltungen herrschten jeweils gegenüber dem italienischen faschistischen Regime und der Weimarer Demokratie? Welche Spannungen durchliefen das Milieu in soziokultureller und konfessioneller Hinsicht?

Zum anderen sollen die Funktion und Bedeutung des deutschen Milieus in Venedig in grenzübergreifender Perspektive analysiert werden: Welche breiteren Kreise trieben die deutsch-italienische faschistische Vernetzung aktiv voran? Wie gestaltete sich das Verhältnis zwischen den rechtsradikalen Organisationen und dem breiteren deutsch-venezianischen Umfeld? Welche Funktion nahmen das Honorarkonsulat und die christlichen Gemeinden mit ihren aktiven Mitgliedern und Mitarbeitenden mittelfristig ein? Wie bewusst war den jeweiligen Funktionstragenden die Instrumentalisierung durch rechtsradikale Akteure? Lassen sich Ablehnungshaltungen oder gar Widerstände im Milieu gegen die Unterwanderung erkennen? Führte die Zentralität des deutschen Milieus in Venedig zu einer erkennbaren „venezianischen Prägung“ des deutsch-italienischen Netzwerks? Wie nachhaltig blieben die Einflüsse aus der Lagunenstadt nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“, und wie gestalteten sich die späteren Biographien der Hauptakteure durch und über die NS-Zeit hinweg?

Von März 2025 bis August 2025