Gerda Brunnlechner
Die ‚Genuesische Weltkarte‘ von 1457‘ – ein raumzeitliches Gewebe
Mittelalterliche Geschichte (Fern-Universität in Hagen, Prof. Dr. Felicitas Schmieder)
Mit dem 15. Jahrhundert und insbesondere mit der lateineuropäischen Rezeption der ‚Geographia‘ des Ptolemaios wird oft ein Wandel von symbolisch bestimmter „mittelalterlicher“ Kartographie hin zu einer naturgetreueren Darstellung der Welt verbunden. Das Dissertationsprojekt soll die Annahme hinterfragen, dass sich damit auch die Raum- und Zeitvorstellungen geändert hätten. Die auf 1457 datierte sogenannte Genuesische Weltkarte bietet sich als Untersuchungsobjekt für diese Fragestellung an, weil sie als Synthese- oder Übergangskarte, als Schritt hin zur modernen Kartographie gilt. Im 15. Jh. entwickelte sich ein intensiver, weiträumig vernetzter, humanistisch ebenso wie geschichtsdeutend beeinflusster geographischer Diskurs. Anstoß waren die verstärkte Suche nach antiken Vorbildern und das dazu oft im Widerspruch stehende, anwachsende Erfahrungswissen der Lateineuropäer, aber auch Einflüsse durch die arabische Kartographie und die naturnahen Küstenlinien der vermutlich schon vor 1300 bekannten Portulankarten. Auf der theoretischen Ebene werden Raum und Zeit im Zusammenspiel als Raumzeit verstanden. Dazu wird von der sozialen Konstituierung von Raum und Zeit und einer während der relevanten Zeitperiode vorherrschenden heterogenen Raum- sowie vielschichtigen und dynamischen Zeitwahrnehmung ausgegangen. Die Kartenmacher werden als bewusst agierende, wenn auch in ihren institutionellen und kulturellen Kontext eingebundene Akteure verstanden. Vor diesem Hintergrund soll hinterfragt werden, ob die Entwicklung der Kartografie hin zu mehr Naturnähe wirklich mit einer Homogenisierung des Raumkonzeptes und dem Verlust des Zeitfaktors gleichgesetzt werden kann. Vielmehr scheinen die modernen Annahmen des homogenen Raumes und der zeitlosen Karten Illusion zu sein.
Von April 2017 bis Juni 2017
Von September 2018 bis November 2018