Henry Kaap
Bildwitz? Phänomene des Komischen in der Venezianischen Kunst der Frühen Neuzeit.
Habilitationsprojekt
Kunstgeschichte
Wie Vasari in der Vita von Francesco Salviati feststellt, stehen den Künstlern, wenn sie sich zu ihrer Kunst vor deren Kritikern zu äußern haben, zwei Arten der Rede zur Verfügung: Einerseits besteht die Möglichkeit, sich ‚im Ernst’ /„da dovero“, andererseits sich ‚im Scherz’ / „per burla“ zu verteidigen. Trifft Vasari diese Aussage zwar mit Bezug auf den Wettstreit zwischen den Künstlern, so lässt sich der Kern dieser Aussage auch allgemeiner fassen. Auf die religiöse Umbruchsituation zu Beginn des 16. Jahrhunderts und den damit einhergehenden Bilderstreit übertragen, dürfte grade Letzterer den Kunstkennern als eine der größten Verwechslungsgeschichten überhaupt und damit quasi als ‚Realsatire’ erschienen sein, die mit zynischen Humor quittiert wurde. Doch greift eine solch einseitige Betrachtungsweise des Bildwitzes zu kurz, denn auch aus religiöser Sicht beziehungsweise aus der Perspektive eines frommen Malers vermag gerade die Kunst, wenn sie im komischen Modus verfasst ist, Freude zu stiften, welche der aus Zweifel und Leid entstandenen Bildskepsis entgegenwirkt. Ernst und Scherz finden somit im Bildwitz zueinander, der als ‚ernstes Spiel’ im Medium der Malerei befähigt ist, Toleranz zu lehren und – mit Philipp Fehl gesprochen – „in doing so they [the paintings] in earnest hold on to primary values that are the foundations of civilized living”. Laut Fehl zeichnet gerade die frühneuzeitlichen Venezianer*innen eine gewisse Meisterschaft des moralischen Theaters aus, sowohl in Worten als auch in Bildern, mit deren poetischen Mitteln sie die existentielle Verfassung des Menschen zu erörtern suchten. Der Bildwitz „as vehicle for truth and moral“ kann den christlichen Betrachter*innen in diesem Sinne als Mittel zur freudvollen Bekräftigung des eigenen Glaubens dienen. Gleichzeitig tritt darin das Potential von Kunstwerken offen zu Tage. Inwieweit die Maler und Kunstsammler des frühneuzeitlichen Venedigs den Bildwitz ganz bewusst als ästhetische Strategie der Selbst- und Medienreflexion zur eigenen Versicherung, aber gleichfalls auch zur Erschaffung Aufsehen erregender Bildereignisse zu nutzen wissen, ist daher die Leitfrage meiner Untersuchung.
Februar 2020
September 2020
Oktober 2021