Deutsches Studienzentrum in Venedig

Lula (Maria de la Luz) Romero Garrido

Lula (Maria de la Luz) Romero Garrido

alla deriva, Stück für Klavier, Violine und Live-Elektronik

Musik/Komposition

In meiner Arbeit erforsche ich Raum in der Musik in Bezug zu Struktur und Material und in Hinblick auf feministische Theorien und Praktiken und Fragen sozialer Gleichheit. Meine Stücke sind damit auch ein Versuch, gegen den Mechanismus anzugehen, der Musik und Kunst im Allgemeinen zu einer Ware macht, einer „dekorativen Kunst“. Meine Musik versucht, eine Stätte für aktive Erforschung zu sein.
Das Projekt, an dem ich während meines Aufenthalts in Venedig arbeite, besteht aus einem neuen Stück für Klavier, Violine und Live-Elektronik. In diesem Stück „alla deriva" werden die ästhetischen Konsequenzen von Subjektivität in Sonifikationsprozessen, das Konzept des „Dérive“ (Umherschweifens) von Guy Debord und die Übersetzung eines real-physischen Raums in eine musikalische Struktur erforscht. Die sonifizierten Daten werden von einer Spaziergängerin (ich selbst) in einer Stadtwanderung, einem „deriva“ von einer Stunde in Venedig erhoben. Eine Tracking-App in meinem Smartphone zeichnet meine Wanderung auf. Ich habe diesen Prozess im meinem Stück „dérive" (2017) für Streichquartett und Live-Elektronik entwickelt, für das ich Daten von einem Spaziergang in Berlin benutzt habe. Im Projekt für Venedig bin ich an den verschiedenen Konsequenzen interessiert, die dieser Prozess in einem rhizomatischen Urbanismus des Mittelalters mit sich bringt.
Durch die Entscheidungen und Wanderungen der Laufenden in ihrer sozusagen auto-ethnografischen Feldforschung treten verschiedene politische und soziale Implikationen und Fragen hervor, nämlich wie öffentlicher Raum und urbane Architektur instandgehalten und genutzt werden, wie hetero-patriarchalische und kapitalistische Ideologie sich in der urbanen Architektur und der Stadtplanung sowie in ihrer Nutzung widerspiegeln. Deutlich werden kann auch, für welche Bedürfnisse und Bevölkerungsgruppen die Stadt geplant, transformiert und gebaut wurde: für Tourismus, für Fußgänger, für Shopping, für Ruhe und Besinnung, als sozialer Treffpunkt, für Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen: von bestimmtem Geschlecht, Alter oder sozioökonomischer Zugehörigkeit. Aber auch neue und subversive Nutzung der Anwohner in urbanem Raum zeigt sich. Die Stadt Venedig ist ein heterogener, komplexer Ort mit vielen Friktionen und Widersprüchen, die in dem Stück "alla deriva" von einer subjektiven Perspektive hörbar werden.

Von Oktober 2017 bis Dezember 2017