Deutsches Studienzentrum in Venedig

Moritz Schmeing

Moritz Schmeing

Juden in der faschistischen Partei Italiens
(Arbeitstitel)
Dissertationsprojekt

Neuere und Neueste Geschichte - Universität Leipzig, Prof. Dr. Jan Gerber

Ausgangspunkt des Dissertationsvorhabens ist der verhältnismäßig hohe Anteil von Juden im Partito Nazionale Fascista (PNF), der faschistischen Partei Italiens. Während die jüdische Bevölkerung Anfang des 20. Jahrhunderts nur 0,1 Prozent der italienischen Gesamtbevölkerung ausmachte, war der Anteil von Juden im PNF dreimal so hoch. Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Hintergründen dieser Anziehungskraft nachzugehen.

Entlang der Biografien von drei jüdischen Funktionären werden Gemeinsamkeiten der politischen Orientierungssuche nachgezeichnet und ins Verhältnis zu den Lebenswegen weiterer Parteimitglieder gesetzt. Die ausgewählten Personen Guido Jung (1876–1949), Gino Arias (1879–1940) und Elisa Majer-Rizzioli (1880–1930) repräsentieren dabei je unterschiedliche Herkünfte und Wege in die faschistische Partei. Guido Jung stammte aus einer Unternehmerfamilie aus Palermo, deren Wurzeln väterlicherseits nach Baden, mütterlicherseits nach Triest zurückreichen. 1914 wandte er sich der Associazione Nazionalista Italiana (ANI) zu. 1924 trat er dem PNF bei und stieg zum Finanzminisiter Mussolinis (1932–1935) auf. Gino Arias war in Florenz aufgewachsen, vertrat während seiner Studienjahre in Bologna sozialistische Ideen, gründete 1904 eine zionistische Gruppe und näherte sich nach dem Ersten Weltkrieg zum Faschismus. Er wurde zu einem seiner wichtigsten Wirtschaftstheoretiker. Elisa Majer Rizzioli kam aus dem assimilierten jüdischen Bürgertum Venedigs. 1911 meldete sie sich freiwillig als Krankenschwester für den italienisch-türkischen Krieg, agitierte für den Kriegseintritt Italiens 1915 und schloss sich 1920 den fasci di combattimento an. Sie wurde Herausgeberin der faschistischen Frauenzeitschrift, der Rassegna femminile italiana. Die Untersuchung der drei Lebenswege gibt Aufschluss über das ambivalente Verhältnis der faschistischen Partei gegenüber seinen jüdischen Mitgliedern und vice versa.

Über die jüdischen PNF-Mitglieder hinaus wird außerdem die Generation ihrer Eltern in den Blick genommen, die die Gründung des vereinten italienischen Königreichs 1861 und die italienweite Emanzipation der Juden erlebt hatten. Der Arbeit liegt die Hypothese zugrunde, dass die Frage nach den jüdischen Angehörigen des PNF nur vor dem Hintergrund der spezifisch jüdischen Bindung an das Risorgimento, die italienische Nationalstaatsbildung, verstanden werden kann.

Juli 2024

Von August 2025 bis September 2025