Stefan Hanß
Zwischen Istanbul und Venedig: Eine Dragomanenfamilie und ihre Reisen im Mittelmeerraum (ca. 1610-1630)
Geschichte der Frühen Neuzeit (University of Cambridge, Prof. Ulinka Rublack)
Das Forschungsstipendium dient der Edition eines bislang unbekannten Selbstzeugnisses: Anfang des 17. Jahrhunderts reiste Gianesino Salvago, osmanischer Sultansuntertan und Dragomane in venezianischen Diensten, vom Machtzentrum des Osmanischen Reiches aus bis an die venezianische Adriaküste. Der von ihm verfasste Bericht der Balkanreise liefert außergewöhnliche Einsichten in frühneuzeitliche Kulturkontakte zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich. Aufgrund ausführlicher geografischer, sozialer, ökonomischer, politischer und militärischer Angaben ermöglicht die Quelle seltene Aussagen über lokale Realitäten in den umstrittenen Grenzregionen zweier Imperien. Vor allem der osmanisch-venezianische Balkanhandel und die diplomatischen Wirren, Spionageaktivitäten und politische Konflikte Venedigs mit den Osmanen, Ragusa, Spanien und Neapel werden behandelt.
Die Studie rekonstruiert den alltäglichen, merkantilen und diplomatischen Austausch in venezianisch-osmanischen Grenzgebieten auf der Balkanhalbinsel. Zudem steht das self-fashioning eines in transkulturellen Kontexten agierenden Sprachexperten im Mittelpunkt, weshalb auch die weiteren Tätigkeiten und Reisen der Familie Salvago erforscht werden. Gianesinos Balkanreise wird zum Beispiel im Hinblick auf eine weitere Reise kontextualisiert, die der Bruder des Verfassers, ebenfalls ein Dragomane in venezianischen Diensten in Istanbul, wenige Jahre später durch Nordafrika unternahm. Die Studie stellt damit nicht nur einen Beitrag zur venezianisch-osmanischen Diplomatiegeschichte dar, sondern rekonstruiert gesamtmediterrane Geschichte anhand eines spezifischen Selbstzeugnisses.
Von August 2017 bis September 2017