Thomas Moser
Venezia oltre Venezia. Das Bild Venedigs an der Adria zwischen Irredentismo und Globaltourismus
Postdoc
Kunstgeschichte
In einem emotionalen Brief an Malerfreund Giambattisa Bassi assoziiert Francesco Dall’Ongaro die Lagunenstadt Venedig 1875 bedeutungsschwanger mit dem mythologischen Unterweltfluss, dessen Wasser alle Erinnerungen vergessen lassen. Im eklatanten Unterschied hierzu verheißt Triest für den jungen Schriftsteller eine Zukunftsperspektive, ein „avvenire cosí felice“ – was mehr sollte man sich von einer Stadt erhoffen dürfen? Im 19. Jahrhundert, so scheint es, sind la Serenissimas Kanäle zum Lete hinabgesunken, während die kaiserliche „urbs fidelissima“ Triest in entgegengesetzter Richtung zur „città del futuro“ (Vanzan Marchini 2016) emporkletterte.
Hier setzt das vorliegende Projekt an und fragt dialektisch sowohl nach der Wahrnehmung Venedigs an der Adriaküste als auch danach, wie der wirtschaftliche Siegeszug des habsburgischen Triests in Venedig rezipiert wurde. Beiden Perspektiven geht dabei voraus, dass die Lagunenstadt mit ihrem weltpolitischen Abgesang ihrem Status als künstlerischer Orientierungspunkt an der Adria keineswegs verlustig gegangen ist. Vielmehr scheint sich ihre Außenwahrnehmung von einer Seemacht hin zur touristisch vermarktbaren „Herrin der Vergangenheit“ (Glaesner 1915) verschoben zu haben. Ziel ist es schließlich, zu zeigen, dass den Bildern (etwa Werbeplakaten und Gemälden) und insbesondere der Architektur in diesem Prozess eine entscheidende Rolle zugefallen ist. So lässt sich für Triest argumentieren, dass man sich im späteren 19. Jahrhundert noch immer an Venedig abarbeitete, Bild- und Baukultur dabei aber gleichsam Zeugnis davon ablegen, dass man sich nicht als bloße Iteration, als halbgare Kopie des Originals wissen wollte, sondern als autarke Nachfolgerin der venezianischen Seehegemonie – ganz im Sinne einer translatio imperii an der Adria.
Von April 2025 bis Juli 2025