Tom Schulz
"Reisewarnung für Länder Meere Eisberge" - Arbeit an einem neuen Gedichtband
(Künstlerstipendium)
Literatur
Ausgehend von seinen letzten beiden Gedichtbänden Lichtveränderung (2015) und Die Verlegung der Stolpersteine (2017) geht es Tom Schulz um den Veränderungsanspruch von schöner Literatur: Aufzuzeigen, dass Poesie eine Form der Meditation sein kann und „der Grund dieses Meditierens letztendlich daran besteht, die Welt zu ändern“.
Gedichte tragen dazu bei, die Sprache en Detail zu verändern, ihr etwas hinzuzufügen, sie zu erweitern und ihr neue Bedeutung zuzuschreiben. Aber sie sind auch Teil eines Diskurses, eines Gesprächs – Gedichte sind vor allem dialogischer Natur.
Verändern beginnt meistens im Erinnern. Das Ende ist manchmal der Ausgangspunkt. So verstehen sich die Gedichte von Tom Schulz als Rückblenden, die nach einem Morgen sehen. Zurück zu finden an die Stelle der Existenz – über die sich sagen ließe, dass etwas bleibt:
Im Material schreiben, in den Landschaften
die ausgerissen werden, abgeholzt, weggebaggert.
In die Landschaften zurückkehren, zu jenem Anfang
als bliebe nur das zersiedelte Gedächtnis der Städte
eine Krankheit, das Vergessen mit neun Buchstaben:
Von welchem Anfang ist die Rede?
Anfang des Baums, der Zweige, und des Blattes
Anfang von Samen, Sternschleuder, Anfang
von Schrei? Von welchem Anfang ist die Rede?
Den Aussätzigen vom Gehsteig aufheben
der wie tot daliegt, ihn in ein frisches Baumwollhemd kleiden
uns bleibt keine Zeit.
Über dem stumm geschalteten Ozean
in einer Warteschleife kreisend, durch die Knochenbox
der Sicherheitskontrolle getrieben, durchleuchtet
skelettiert, verdammt, flehend, mit den Einreisepapieren
ausgestellt auf eine Nummer aus einem Pass
in einer krakeligen Kinder- oder Greisenschrift.
Mit meinem Fingerabdruck wechsle ich Geld
am Schalter, ich gleite von einem Zwischenparadies
in ein anderes, stehe vor der Champagner-Bar in Heathrow
über einen Bildschirm kann ich wählen:
Zu welcher Welt wollen Sie gehören?
Von April 2018 bis Juni 2018